“Reisekrankheiten”

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Sommerzeit ist Reisezeit! Damit Sie und ihr Haustier nicht nur gemeinsam die Urlaubstage in vollen Zügen genießen können, sondern auch keine unliebsamen Mitbringsel mit nach Hause nehmen, möchten wir Sie über ein wichtiges Thema aufklären…. die “Reisekrankheiten” unserer Haustiere - wobei der Begriff nicht mehr ganz zutreffend ist.

Ursprünglich traten diese im europäischen Raum nur in Südosteuropa auf. Jedoch kommen die Erkrankungen nun auch zunehmend in Mitteleuropa vor, was einerseits am erhöhten Reiseverkehr der Hunde (Urlaub im Süden, Importhunde), anderseits auch an dem vermehrten Vorkommen der übertragenden Parasiten aufgrund des Klimawandels liegt. Somit sind die Begriffe „Reisekrankheiten“ oder auch “Mittelmeerkrankheiten“ nicht mehr zutreffend. Deshalb spricht man heutzutage von vektorübertragenen Krankheiten. Vektor ist der medizinische Fachbegriff für Krankheitsüberträger, in diesem Fall sind das hauptsächlich Zecken und Mücken.

Nicht nur unsere Vierbeiner sind von diesen Erkrankungen bedroht, sondern es besteht auch die Gefahr, dass die Krankheit auf den Menschen übertragen wird. Deshalb ist ein guter Schutz doppelt wichtig. In der nachfolgenden Tabelle finden Sie eine Übersicht über die vektorübertragenen Krankheiten von Hund und Katze in Europa.

Prophylaxe

Da nicht bei allen Erkrankungen eine vollständige Heilung möglich ist (so bei Leishmaniose, Ehrlichiose, Hepatozoonose, infektiöse Anämie, Babesia gibsoni, Borreliose), kommt der Prophylaxe eine umso größere Bedeutung zu. Dabei basiert diese auf vier Säulen:

Chemoprophylaxe

Zu der Chemoprophylaxe zählen Wirkstoffe, die gegen die Krankheitserreger selbst wirken.  Nur für einen Teil der Krankheitserreger gibt es passende Wirkstoffe.

Dirofilariose (Herz- und Hautwurmerkrankung)

Zur Verbeugung dieser Parasitose können herkömmliche Entwurmungsmittel verwendet werden, die gegen Rundwürmer wirken. Diese gibt es als Spot-on oder als Tablette. Wichtig dabei ist, dass jeweilige Behandlungsschema eingehalten wird:

Spot-Ons (Wirkstoffe: Selamectin oder Moxidectin): Erste Applikation kurz vor dem Urlaub, anschließend alle 30 Tage während des Aufenthaltes, letzte innerhalb von 30 Tagen nach Ausreise

Tablette (Wirkstoff: Milbemycin): Erste Gabe innerhalb von 30 Tagen nach Einreise in das Urlaubsgebiet, anschließend alle 30 Tage während des Aufenthaltes, letzte innerhalb von 30 Tagen nach Ausreise

Leishmaniose

Domperidon ist eigentlich ein Medikament gegen Übelkeit (Antiemetikum). Jedoch konnten klinische Studien nachweisen, dass Domperidon auch die zellvermittelte Immunantwort stimuliert, sodass das Risiko einer aktiven Leishmaniose reduziert wird. Allerdings wird die Gabe von Domperidon vor allem Tieren empfohlen, die sich längerfristig in Risikogebieten aufhalten.

Babesiose

Gegen eine Infektion mit großen Babesien kann Imidocarb prophylaktisch verabreicht werden, sodass ein zwei- bis sechswöchiger Schutz entsteht. Aufgrund der potentiellen schwerwiegenden Nebenwirkungen (z.B. anaphylaktische Reaktionen und Leber-/Nierenschädigung) sowie aufgrund der variablen prophylaktischen Wirkungsdauer wird Imidocarb nur in Ausnahmefällen empfohlen, z.B. bei Jungtieren. Ältere Tiere sollten besser nur im Erkrankungsfall behandelt werden.

Vektorprophylaxe

Die Vektorprophylaxe zielt auf die Vermeidung von übertragenden Parasiten oder deren Abtötung ab. Dafür werden insektizide und akirizide (gegen Insekten und Zecken abtötetende) und idealerweise zeitgleich repellierend wirkende (abweisende) Ektoparasitika verwendet. Hier gibt es zahlreiche verschiedene Präparate als Spot-on, Halsband oder Tablette. Ihr Tierarzt kann Ihnen ein passendes Präparat empfehlen.

Wir bevorzugen Präparate mit Permethrin, Deltamethrin oder Flumethrin, die diese auch eine repellierende Wirkung haben und so der Parasit nicht beißen muss, damit sich die Wirkung entfaltet. Dies ist insbesondere bei den Erkrankungen wichtig, bei denen der Vektor gleich zu Beginn des Bisses die Krankheitserreger übertragen kann (Ehrlichiose, Dirofilariose, Leishmaniose). Aber Vorsicht: Für Katzen ist Deltamethrin und Permethrin toxisch! Weder sollten Sie Hundepräparate mit diesen Inhaltsstoffen bei Katzen verwenden, noch diese Präparate bei einem Hund einsetzen, der im selben Haushalt mit einer Katze lebt.

All diese Präparate sollten bereits vor dem Urlaub verabreicht bzw. angelegt werden. Bei längeren Reisen sollte die Wirkungsdauer des jeweiligen Präparats bedacht werden und ggf. der Schutz rechtzeitig aufgefrischt werden.

Unabhängig davon welches Präparat eingesetzt wird, sollten Sie Ihr Tier dennoch jeden Tag nach Zecken absuchen und diese manuell entfernen (z.B. mit einer Zeckenzange).

Immunoprophylaxe

Der Immunoprophylaxe dienen Impfstoffe gegen die Krankheitserreger. In Deutschland sind Impfstoffe gegen Leishmaniose und Borreliose zugelassen.

Leishmaniose

Eine Leishmaniose-Impfung ist für die Hunde sinnvoll, die sich regelmäßig oder dauerhaft in Risikogebieten aufhalten.

Canileish

Canileish war der erste Impfstoff, der zur Vorbeugung der Leishmaniose zugelassen war. Allerdings bietet dieser keinen vollständigen Infektionsschutz, sondern reduziert das Risiko einer Infektion und auch einer klinischen Erkrankung. Jedoch hat die Impfung häufig Müdigkeit und Schwellung der Injektionsstelle als Nebenwirkungen. Zudem können im Labor die Impfantikörper nicht von denen einer Infektion unterschieden werden, sodass die Diagnosestellung einer Leishmaniose erschwert ist. Die Grundimmunisierung besteht aus drei Impfung im Abstand von drei Wochen. Die Schutzwirkung tritt zwei Wochen nach der dritten Impfung ein, sodass die Grundimmunisierungs spätestens 11 Wochen vor Urlaubsantritt begonnen worden sollte. Die Nachimpfungen sind anschließend im jährlichen Rhythmus.

Letifend

Letifend ist seit 2018 auf dem Markt und hat mehrere Vorteile gegenüber Canileish. Das Risiko einer Infektion und auch einer klinischen Leishmaniose konnte durch diese Impfung noch weiter gesenkt werden. Desweiteren löst sie seltener Nebenwirkungen aus und beeinflusst auch nicht den Antikörpertest zur Diagnosestellung einer Leishmaniose. Als Grundimmunisierung reicht eine einmalige Impfung aus. Die Schutzwirkung besteht vier Wochen nach Impfung. Die Nachimpfungen sollten jährlich stattfinden.

Borreliose

Die Borreliose-Impfung wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Einerseits ist eine klinische Borreliose mit Entwicklung von Symptome beim Hund selten. Desweiteren gibt es zahlreiche verschiedene Borrelienarten und in den Impfstoffen sind maximal drei dieser Arten (B. burgdorferi sensu strico, B. afzelii und B. garinii) enthalten. Die letzteren beide sind zwar in Europa häufig, aber deren Pathogenität ist nicht zweifelsfrei geklärt. Zum anderen kann die Impfung auch Schaden anrichten: Wenn durch eine vergangene Infektion, auch wenn diese asymptomatisch verlief, ein hoher Antikörperspiegel besteht, besteht die Gefahr, dass sich diese Antikörper mit dem Antigen, quasi dem Impfstoff, verbinden (Antigen-Antikörper-Komplexe). Diese Komplexe schädigen den Körper und führen zu ähnlichen Symptomen wie die Borreliose selbst (z.B. Gelenksentzündung, Nierenerkrankung). Bei dem fraglichen Nutzen und den potentiellen Nebenwirkungen muss die Indikation zu dieser Impfung sehr streng gestellt werden. Auf alle Fälle sollte der Hund vor der Impfung mittels Bluttest auf einen zuvor stattgefundenen Erregerkontakt untersucht werden.

Verhalten

Zusätzlich zur medikamentösen Prophylaxe trägt es auch zur Vermeidung der vektorübertragenen Erkrankungen bei, wenn man folgende Verhaltenstipps beachtet:

  • Vermeiden Sie Ihre Haustiere in Risikogebiete mitzunehmen

  • Engmaschige Insektengitter verhindern dass die Vektoren ins Haus eindringen

  • Zu Dämmerungs- und Nachtzeiten sollten die Tiere im Haus sein, da zu diesen Zeiten die übertragenden Mücken besonders aktiv sind

  • Meiden Sie die Brutplätze der Sandmücken (z.B. Keller, Stallungen, Müllplätze)

  • Verhindern Sie, dass Ihr Hund im Risikogebiet Aas frisst. Denn durch das Fressen einer infizierten Zecke, die an einem Kadaver haftet, kann sich Ihr Vierbeiner mit Hepatozoonose infizieren

Wann sollte auf vektorübertragene Krankheiten getestet werden?

Screening-Tests

Auslandsvorbericht

Screeningtests sollte bei allen Tieren mit Auslandsvorbericht durchgeführt werden, um einerseits die Erkrankung des Tieres rechtzeitig zu erkennen und andererseits um eine Weiterverbreitung der Infektion in Deutschland zu unterbinden. Bei klinisch unauffälligen Tieren empfiehlt sich eine Testung sechs Monate nach Einreise, da es mehrere Monate benötigt, bis Dirofilariose (Herzwurmerkrankung) nachweisbar ist. Leishmaniose kann sogar erst Jahre nach der Übertragung nachweisbar sein. Insbesondere bei Krankheitssymptomen sollte auch kurz nach der Einreise auf vektorübertragbare Erkrankungen getestet werden, um eine etwaige Infektion frühzeitig zu erkennen und zu therapieren.

Vor der Blutspende

Da einige der Erkrankungen mit der Blutspende übertragen werden können, ist es wichtig Spender vorher zu testen, um eine Infektion des Empfängers zu vermeiden. Da die vektorübertragbaren Erkrankungen auch in Deutschland auf dem Vormarsch sind, macht es auch Sinn Spender ohne Auslandsvorbericht zu testen.

Bei passenden Symptomen

Bei typischen Symptomen wie z.B. Fieber, Blutbildveränderungen, Entzündungen der Gelenke, der mittleren Augenhaut (Uveitis) oder bestimmten Nierenerkrankungen sollte an vektorübertragbare Erkrankungen gedacht werden. Da die Erkrankungen zum Teil nun auch in Deutschland heimisch sind, ist ein fehlender Auslandsvorbericht kein Ausschlusskriterium. Insbesondere in den letzten Jahren kam es im Münchner Großraum zu zahlreichen Fällen von Anaplasmose.

 

 



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