Adipositas oder falsch verstandene Tierliebe

Leider glauben immer noch viele Besitzer ihre Tiere lieben sie mehr, wenn sie viel zu Fressen bekommen, nach dem Motto „Liebe geht durch den Magen“. Das liegt teilweise auch daran, dass man zu wenig Zeit hat sich mit seinem Tier zu beschäftigen und sein schlechtes Gewissen durch „Geschenke“ beruhigen möchte. Folge davon ist, dass mittlerweile 65% unserer Hunde und Katzen übergewichtig sind, bei Meerschweinchen, Kaninchen und auch Pferden sieht es nicht viel anders aus.

Wiegt ein Tier 10-20% mehr als sein Idealgewicht wäre, spricht man von Übergewicht, bei > 20% Mehrgewicht von Adipositas. Durch die vielen übergewichtigen Tiere die man sieht, verschiebt sich das Bild für „normalgewichtig“. Die Rate an übergewichtigen Tieren steigt mit zunehmendem Alter, kastrierte Tiere sind ebenfalls häufiger betroffen. Es gibt Rassen die eine höhere Wahrscheinlichkeit haben an Übergewicht zu leiden, dazu gehören Labrador Retriever, Beagle, Cocker Spaniel, Rottweiler, Dalmatiner, Dackel und Shelties sowie Britisch Kurzhaar Katzen. Aber auch Möpse und andere kurznasige Rassen sind häufig übergewichtig.

Übergewicht entsteht, wenn mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird. Dies kann entweder durch die Fütterung zu großer Energiemengen oder durch einen reduzierten Energiegrundumsatz (z.B. Kastration, Schilddrüsenunterfunktion) entstehen. Eine Kastration reduziert den Energieverbrauch (Grundumsatz) um 20-30%, dementsprechend muss die Futtermenge nach einer Kastration angepasst werden.

Diagnostiziert wird Übergewicht anhand der Bestimmung des Body Condition Score (BCS). Ein Wert von 4-5 gilt als normalgewichtig, 1 als extrem dünn (kachektisch) und 9 als hochgradig übergewichtig (adipös). Pro BCS Punkt über 5 sind etwa 10% Übergewicht vorhanden. So wiegt zum Beispiel ein 10 kg Hund mit einem BCS von 6 etwa 1 kg zu viel.

Das Gewicht alleine anhand eines Rassestandards zu beurteilen ist nicht sinnvoll, denn es gibt auch innerhalb der gleichen Rassen unterschiedlich große Tiere. Das Idealgewicht der Elterntiere gibt eine grobe Richtung vor, hier sollten Sie aber berücksichtigen, dass auch Zuchttiere nicht immer Idealgewicht haben. Regelmäßiges wiegen hat aber trotzdem eine gute Überwachungsfunktion, sollte das Gewicht stetig nach oben gehen obwohl ihr Tier ausgewachsen ist, füttern Sie zu viele Kalorien.  

Die angegebenen Futtermengen auf Alleinfuttermitteln sind Richtwerte und meist etwas zu hoch angesetzt, der individuelle Bedarf muss für jedes Tier ermittelt werden, da Haltungsformen (Rudel, Hofhund) und tägliche Bewegung (Zughundesport etc.) einen Unterschied machen. Zusätzlich werden den Tieren meist noch diverse Leckerchen und Kauartikel angeboten ohne diese von der Ration abzuziehen.

Ein “zu viel” an Kalorien kommt auch in den Napf, wenn die Futtermenge nicht abgewogen wird. Selbst bei Verwendung des gleichen Bechers unterscheidet sich der Füllungszustand täglich um bis zu 28%.

Anschaulich wird dies bei der Fütterung von Trockenfutter an Katzen. Wenn der eigentliche Tagesbedarf an Kalorien mit 40 g Trockenfutter gedeckt ist und Sie täglich 44 g in den Napf geben, füttern sie bereits 10% mehr als eigentlich notwendig wäre. Über Monate führt dies unweigerlich zu einer Gewichtszunahme.

Fettgewebe ist ein aktives Gewebe und produziert Entzündungsstoffe (proinflammatorische Interleukine, Akut-Phase-Proteine, Tumornekrosefaktor alpha, Adipokin), zusätzlich wird weniger antientzündliches Adiponektin gebildet dies führt zu einem entzündlichen Zustand im Körper des Patienten.

Übergewicht kann zu Gelenksproblemen, Herzkreislaufproblemen, Harnwegserkrankungen, Atemwegserkrankungen, verminderter Hitzetoleranz und einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus und Tumoren führen. Katzen mit Übergewicht haben ein erhöhtes Risiko für sterile Blasenentzündungen und FLUTD (Obstruktion der unteren Harnwege).

Gelenksentzündungen (Arthritis) und Gelenksverschleiß (Arthrose) entstehen durch die vermehrte Belastung der Gelenke und die Freisetzung knorpelzerstörender Stoffe (Enzyme) durch das aktive Fettgewebe. Kreuzbandrisse und Oberschenkelkopffrakturen sind bei übergewichtigen Hunden vermehrt beschrieben.

Adipöse Tiere können sich schlechter putzen, dies führt bei Kaninchen zu einem vermehrten Auftreten von Madenbefall und bei Katzen zu Fellproblemen. Durch ein reduziertes Bewegungsverhalten setzen Katzen seltener Kot- und Urin ab und entwickeln dadurch Verstopfungen und Harnsteine.

 

In Studien konnte gezeigt werden, das Übergewicht die Lebenserwartung verkürzt, bei Yorkshire Terriern zum Beispiel um 2,5 Jahre, beim Deutschen Schäferhund um 4 Monate, beim Beagle um 2 Jahre und bei Labradoren um 6 Monate. Bei Katzen reduziert sich die Lebenserwartung übergewichtiger Tiere sogar um 5 Jahre.

Sehen Sie also ein Gespräch über das Gewicht ihres Tieres nicht als Kritik, sondern als Möglichkeit ihrem Tier ein langes, glückliches Leben zu verschaffen.

Eine Gewichtsreduktion alleine durch eine Erhöhung der Bewegung ist bei Hunden und Katzen nicht zu erreichen. Bei einem 1-stündigen Spaziergang mit 5 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit werden nur 100 kcal verbraucht. Diese hat man durch die Gabe einer 3/4 Wiener (45 g, 145 kcal), eines halben Schweineohres (50 g; 215 kcal) oder 25 g getrockneter Lunge (100 g, 400 kcal) schon wieder reingefüttert.

Einfach nur die Hälfte (FDH, “friss die Hälfte”) des gewohnten Futters zu geben ist auch keine Lösung, da Sie damit nicht nur die Kalorienmenge reduzieren, sondern auch alle aufgenommenen Vitamine und Nährstoffe. Die aufgenommene Proteinmenge muss bedarfsdeckend sein, damit es zu keinem Abbau von Muskulatur kommt. Eine Umstellung auf ein „Light“ Futter kann auch nicht ausnahmslos empfohlen werden, da dieser Begriff, anders als von vielen Besitzern angenommen, nicht zwangsläufig bedeutet, dass das Futter kalorienarm ist, sondern lediglich dass das Futter weniger Kalorien enthält als andere Futtersorten der gleichen Marke.

Eine zu schnelle Gewichtsreduktion sollte vermieden werden, pro Woche sollten Tiere nicht mehr als 0,5-2% ihrer Körpermasse verlieren.

In unserer Praxis können wir eine Rationsüberprüfung durchführen und gemeinsam einen Diätplan erstellen.

 

Literaturangaben

Courcier et al. 2010, Becker et al. 2012, German et al. 2018, Nitsch und Kölle 2021, Yudkin et al. 1999, Das 2001, Festa et al. 2001, German 2006, Lund et al. 2006, Kil und Swanson 2010, Griffin und Guilak 2008, Knebel und Meyer-Lindenberg 2014, Salt et al. 2019, Laflamme 2005

Weiter
Weiter

Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)